Hilfe – mein Hund zieht an der Leine!
05.05.2023 - Lesedauer: 5 Minuten
Zieht dein Hund an der Leine? Dann ist das kein Einzelfall. Dieses Problem teilst du mit vielen anderen Hundebesitzern. Doch nicht nur für Menschen ist das Leinenziehen lästig, auch Hunde leiden dabei. Die Ursache liegt zumeist auf beiden Seiten der Leine. Informiere dich hier über die Hintergründe, sowie hilfreiche Übungen für deine nächste Gassirunde. Damit löst du das Problem auf eine artgerechte Weise.
Warum zieht der Hund an der Leine?
Sicherlich hast du dir schon häufig diese Frage gestellt. Sie ist auch berechtigt, doch die Antwort fällt vielschichtig aus.
Zunächst solltest du wissen, dass das Gehen an der Leine für den Hund ein unnatürlicher Vorgang ist. Hunde sind Revier- und Sozialtiere, die freie Bewegung benötigen. Sie wollen sich über andere Artgenossen informieren, ihre Duftmarken erneuern, andere Hunde treffen und vor allem ihrem natürlichen Drang nachgehen: Sie wollen sich frei bewegen, toben, spielen und das alles auch gern mit dir gemeinsam. Doch nicht nur die Leine, sondern häufig auch der Halter hindert Hunde daran, all dem nachzugehen.
Tatsächlich ist die Realität vieler Gassirunden trist. Viele Hundehalter absolvieren sie als eine reine Pflicht, besonders wenn der kräftige Hund permanent an der Leine zieht, macht das Spazierengehen kaum noch Spaß. So fehlt den Hunden der Kern des Ganzen: eine harmonische Interaktion zwischen Hund und Mensch.
Der Hund begreift schnell, dass das Ziehen an der Leine zum Erfolg führen kann. „Sein Mensch“ geht nun schneller oder der Hund erreicht interessante Duftmarken oder andere Interaktionsziele, ohne davon weggezogen zu werden. Mit der Zeit entwickelt sich das Ziehen für den Hund zur Normalsituation, wenn nicht sogar zu einer Notwendigkeit. Der Hundehalter hingegen mutiert zu einer „Spaßbremse“, die einfach nur irgendwo mit „hingezogen“ werden muss und ansonsten kaum mehr eine Rolle spielt.
Kuriose Meinungen und fragwürdige Methoden – räum damit auf!
Kuriose Ansichten über das Wesen des Hundes führen bis heute zu fragwürdigen und den Hund quälenden Methoden. Erfreulicherweise werden sie von Kynologen immer häufiger widerlegt. Hartnäckig halten sich jedoch folgende Irrtümer:
- „Hunde wollen die Alphaposition im Mensch-Hund-Rudel einnehmen und versuchen zu dominieren, beispielsweise wenn sie an der Leine ziehen oder vorgehen.“
Nicht ganz! Der Hund ist im Grunde genommen bereit, sich unterzuordnen. Schafft es der Mensch jedoch nicht, die Führung zu übernehmen, dann tut es der Hund. Der Vierbeiner macht dabei keinen Unterscheid zwischen einem Menschenrudel und einem Hunderudel. Zieht er an der Leine, zeugt das von einer unharmonischen Hund-Mensch-Beziehung.
- „Der Hund muss immer hinter mir oder bei Fuß gehen.“
Nein, das ist nicht immer sinnvoll. Viele Hundehalter empfinden das Vorgehen des Hundes sogar als angenehmer. So haben sie ihren Hund gut im Blick und auch mehr Platz für die Tasche oder andere Personen auf dem Bürgersteig. Das Vorangehen des Hundes sollte genauso wie das Bei-Fuß-Gehen von dir initiiert sein und bei durchhängender Leine vonstattengehen.
- „Stachel- oder Würgehalsbänder gewöhnen dem Hund das Ziehen an der Leine ab.”
Falsch. Ein Hund, der sich das Ziehen an der Leine bereits angewöhnt hat, akzeptiert das Würgen und Stechen als ein „notwendiges Übel“. Nach anfänglicher Irritation wird er seine Gewohnheit wieder aufnehmen.
- „Hilft das Stachelhalsband nicht, so müssen drastischere Methoden her.“
Verheerend. Wer seinen Hund schlägt, anschreit oder mit Elektroschockern und Haltis an ihm „experimentiert“, der zerstört den eigenen Hund physisch wie psychisch.
No-Go bei der Hundeerziehung: Stachelhalsbänder, Elektroschocker und verwandte Mittel
- Stachel- und Würgehalsbänder und erst recht Elektroschocker oder Halsbänder, die einen hohen Ton oder Wasser absondern, sind grundsätzlich Folterinstrumente für den Hund.
- Elektroschocker und die genannten Varianten führen nachweislich zu irreparablen psychischen Schäden beim Hund.
Haltis hingegen sind zu Übungszwecken gebräuchlich und wirksam, gehören aber in die Hände eines erfahrenen Hundetrainers. Bei unsachgemäßer Anwendung können Haltis Hunde nachhaltig verstören, Panikattacken auslösen und zu Haltungsschäden und schmerzhaften Verspannungen der Muskulatur führen.
Der erste Schritt, damit der Hund nicht mehr zieht: Gassirunde neu definieren.
Der erste Schritt im Training gegen das Leinenziehen ist, die Gassirunde attraktiv für dich und deinen Hund zu gestalten. Nimm dir daher Zeit für jeden Spaziergang und definiere euch dabei als Team. Hört dein Hund auf deinen Zuruf, plane ruhig einen Zwischenstopp mit Freilauf ein. Spiele ausgiebig mit ihm, indem du Suchspiele veranstaltest. Stärke die Bindung deines Hundes und arbeite zum Beispiel mit dem Futter-Dummy.
Übungen und Tipps für jede Gassirunde gegen das Leinenziehen
Ziel der Übungen ist es, deinem Hund begreiflich zu machen, dass das Ziehen an der Leine nicht zum Erfolg führt. Gleichzeitig soll dein Hund lernen, dass es sich lohnt, auf dich zu achten.
Übung 1: Arbeite mit einer Belohnung.
Zeige deinem Hund sein Lieblingsspielzeug oder ein Leckerli und halte es kurz vor dein Kinn. Gib das Kommando „Bei Fuß“ und geh dabei ein paar Schritte. Sobald der Hund zu dir hochschaut und dir folgt, belohne ihn.
Übung 2: Sturheit gegen das Ziehen
Bleib wie angewurzelt stehen, sobald dein Hund an der Leine zieht. Schau in eine andere Richtung und beachte deinen Hund gar nicht. Hört der Hund auf zu ziehen, ruf ihn freundlich zu dir und belohne ihn.
Übung 3: Richtungswechsel
Sobald dein Hund an der Leine zieht, wechsle abrupt und demonstrativ die Gehrichtung. Zieh deutlich an der Leine, ohne am Hund zu zerren. Überholt dein Hund dich und zieht wieder an der Leine, so wechselst auch du erneut die Gehrichtung.
Wichtige Tipps: Beende jede, das heißt auch eine Gassirunde, die nicht besonders gut gelaufen ist, mit einem Erfolgserlebnis für deinen Hund. Benutze lieber ein Hundegeschirr, das gut sitzt und nirgends drückt, statt eines Halsbandes. Dabei solltest du jedoch bedenken, dass große Hunde mit einem Geschirr noch mehr Zugkraft entwickeln. Bei kleineren Hunden ist das Geschirr eine gute Wahl. Noch mehr Übungen und Tricks liest du im Ratgeber Leinenführigkeit.
Und wenn sich nach einigen Trainingsphasen dennoch kein Erfolg einstellt, ist der Gang zum Hundetrainer ratsam. Aus einer objektiven Sicht heraus lassen sich Fehler, wie vielleicht in deiner Kommunikation, beziehungsweise Körpersprache, schneller feststellen und die fachgerechten Schritte einleiten. Damit klappt es dann sicher auch mit einem harmonischen, verbundenen Mensch-Hund-Gespann.