Kaninchenrassen – wie der Mensch aufs Kaninchen kam
05.05.2023 - Lesedauer: 4 Minuten
Viele Laien sind überfragt, wenn es darum geht, Kaninchen und Hasen zu unterscheiden. Es wird fälschlich angenommen, dass es sich beim Kaninchen um die domestizierte Form des Feldhasen handelt. Die Verwirrung wird noch größer, wenn man sich die unzähligen Kaninchenrassen näher anschaut: wildfarben oder bunt gescheckt, mit kurzem Samtfell oder wuscheligem Pelz, kleinen Löffeln oder Hängeohren. Die Kulturgeschichte des Hauskaninchens ist äußerst spannend. Lesen Sie hier grundlegende Fakten über Kaninchenrassen und die wilde Verwandtschaft.
Unter Kaninchen gibt es eine enorme Erscheinungsvielfalt. Dass daneben etliche Größenklassen vom Zwerg bis zum Riesenkaninchen vorkommen, macht die Sache noch verwirrender. Und doch haben all unsere Rassekaninchen einen einzigen Vorfahren: das europäische Wildkaninchen – nicht den Hasen.
Was ist der Unterschied zwischen Kaninchen und Hase?
Kaninchen und Hasen gehören beide zur Familie der „echten Hasen“, weisen aber optisch und in ihrer Lebensweise deutliche Unterschiede auf. So ist der Körperbau eines Kaninchens klein und gedrungen, während Hasen vergleichsweise große, schlanke Tiere mit einem wildtierartigen Aussehen sind. Ein weiterer augenfälliger Unterschied besteht darin, dass Kaninchen Gruppentiere sind, die meist in größeren Trupps leben. Hasen sind wiederum Einzelgänger, die nur zur Paarung die Nähe von Artgenossen suchen. Die sozialen Kaninchen bauen weitläufige, unterirdische Gangsysteme; Hasen ziehen sich allenfalls in Geländemulden – die sogenannten Sassen – zurück. Auch ist ein neugeborener Hase ein Nestflüchter, der schon nach kürzester Zeit selbstständig unterwegs ist. Kaninchenjunge kommen hingegen blind und hilflos zur Welt und werden einige Zeit lang vom Muttertier im Nest versorgt. Gemeinsam sind Hasen und Kaninchen ihre Fressfeinde. Während Kaninchen jedoch in Windeseile das nächstgelegene Versteck aufsuchen, setzen Hasen auf sportliche Leistung: Einige Hasenrassen erreichen Spitzengeschwindigkeiten von 70 Stundenkilometern und können erstaunliche zwei Meter hoch springen.
Seit wann werden Kaninchen als Haustiere gehalten?
Hasen dienten niemals als Haustiere. Kaninchen hingegen wurden schon relativ früh von Menschen domestiziert. Dabei ist bemerkenswert, dass Wildkaninchen ursprünglich nur auf der Iberischen Halbinsel und in Teilen Nordafrikas heimisch waren. Ausgehend von diesem kleinen Ursprungsgebiet konnten sie sich mit wenigen geografischen Ausnahmen weltweit verbreiten. Zwar hat die sprichwörtliche Fruchtbarkeit der Kaninchen ihre Ausbreitung begünstigt, doch auch der Mensch hat seinen Anteil daran: Kaninchen lassen sich leicht halten und vermehren sich von selbst. Sie dienten dem Menschen als Nahrung und auch ihr Pelz war geschätzt. Früheste verbriefte Hinweise auf die gezielte Haltung von Kaninchen als Haustiere stammen aus dem ersten Jahrhundert vor Christus aus Spanien. Die erste schriftliche Erwähnung einer Kaninchenhaltung in Deutschland belegt ein Klosterdokument von 1149.
Zunächst wurden Kaninchen als Nutztiere gehalten, später etablierten sie sich auch als Streicheltiere. Durch die gezielte Zucht kam es immer wieder zu zufälligen Farbmutationen, mit denen weitergekreuzt wurde: der Beginn der modernen Farbschläge. Das ursprüngliche wirtschaftliche Ziel, nämlich möglichst große Tiere zu züchten, veränderte sich. Kleinere und besonders possierliche Kaninchen kamen in Mode. Bereits im 16. Jahrhundert erfreuten sich Zwergkaninchen in der gesellschaftlichen Oberschicht großer Beliebtheit. Mit der industriellen Revolution erlebte die Kaninchenzucht zur Nahrungsgewinnung eine weitere Hochzeit: In den Städten fehlte es an Platz, Schweine oder Schafe zu halten, ganz zu schweigen von Kühen. Das kleine, handliche Kaninchen fand in der urbanen Versorgungsstruktur seinen Platz; nebenher wurde bei dieser Gelegenheit der Grundstein für die organisierte Kaninchenzucht, wie wir sie heute kennen, gelegt. Der erste deutsche Rassekaninchenverein wurde 1880 gegründet.
Welche Kaninchenarten gibt es?
Die ursprünglichen Zuchtziele, große und schwere Tiere hervorzubringen, waren bei Kaninchen wichtig, die als Nahrung dienten. Die spätere Beliebtheit der Kaninchenpelze lenkte die Zucht auf bestimmte Farbmerkmale hin, sodass Varietäten wie das Hermelinkaninchen in Mode kamen. Auch verschiedene Felltexturen und Ohrformen wurden nach und nach zu wichtigen Zuchtmerkmalen. Die Hauskaninchenzucht hat im Laufe der Zeit eine beeindruckende Vielfalt von Rassen und Farbvarietäten hervorgebracht. Allein in Deutschland sind 88 Rassen in 350 Farbschlägen züchterisch erfasst.
Eine grobe Unterteilung der Rassen erfolgt über Größe, Gewicht und Haarstruktur:
- Große Rassen über 5,5 Kilo. Beispiele: Riesenkaninchen, Widderkaninchen, Blaue von St. Niklaas
- Mittlere Rassen bis 5,5 Kilo. Beispiele: Wiener, Havanna, Champagne, Burgunder
- Kleine Rassen bis 3,5 Kilo. Beispiele: kleine Widder, Gouwenaar, Siberian, Steinkaninchen
- Zwergrassen bis 2 Kilo. Beispiele: Zwergwidder, Zwergschecken, Hermelin, Farbenzwerge
- Haarstrukturrassen Beispiele: Rexkaninchen, Angora, Satinkaninchen
Wie alt werden Kaninchen und welche Kaninchenrasse passt zu mir?
In artgerechter Haltung können Hauskaninchen ein Alter von sieben bis elf Jahren erreichen; es sind auch Tiere bekannt, die noch älter wurden. Kleinere Rassen erreichen oft ein höheres Alter. Die Lebenserwartung von Wildkaninchen ist wesentlich geringer, zumal sie von Fressfeinden gejagt werden und viele Jungtiere den ersten Winter nicht überleben. Welches Kaninchen zu Ihnen passt, hängt vor allem davon ab, was für ein Haustier Sie sich wünschen. Sind Sie auf der Suche nach einer langohrigen Schönheit, die auf Ausstellungen punktet? Bei Rassen mit einer auffälligen Fellstruktur sollten Sie sich bewusst sein, dass die Fellpflege etwas mehr Aufwand bedeutet. Größere Rassen haben natürlich einen höheren Futter-, Material- und Platzbedarf, sind also kostenintensiver. Hätten Sie gern eine intelligente Sportskanone, die mit Ihnen beim Kaninhop auftrumpft? Oder ein gutmütiges, robustes Streicheltier, das sich auch für kleinere Kinder eignet? Wenn es nicht gerade die optischen Merkmale sind, an denen Sie Ihre Entscheidung festmachen, haben alle Kaninchenrassen ihre Vorzüge. Der Charakter eines Tieres ist ohnehin ganz individuell und rasseunabhängig. Übrigens: Auch in Tierheimen finden Sie liebenswerte Mümmler, die bestimmt Ihr Herz erobern.